Orplid "Nächtliche Jünger", Prophecy

Lange und gespannt haben wir gewartet und nun ist es endlich soweit: auf der "Nächtliche Jünger" empfängt uns eine rundum düstere und sehr gehaltene, ruhige Stimmung. Die gewohnte musikalische Verbindung eines Empyrium- lastigen Gitarrenspiels mit in elektronischer Feinarbeit ausgetüffteleter Füllmasse, in welcher dennoch immer der Gesang im Mittelpunkt steht, ist abgerundet und stimmig. Lobenswert sind auch die musikalisch neubegangenen Wege, die wohl aber nicht jeden Hörer, der Orplid noch immer entgegen ihren eigenen Ansichten mit Neofolk assoziiert, begeistern werden. Die experimentellen elektronischen Gitarren jedenfalls erschaffen eine Sigur Rós- ähnliche Atmosphäre. Mein Favourit ist das bereits auf einem Prophecy- Sampler veröffentlichte "Söhne des Ares" mit seinem treibenden Grundcharakter, aber auch den Titeltrack "Nächtliche Jünger" könnte ich hiermit als Anspieltipp vorschlagen. Ansonsten: ich weiß nicht, ob meine Erwartungen zu hoch gegriffen waren, aber dennoch bin ich etwas enttäuscht vom Ganzen. Die musikalische Leistung ist perfekt, die Liebe zu den Details ist unüberhörbar, die Texte von Uwe Nolte sind wie immer grandios. Doch das, was mir fehlt liegt wohl an jener Perfektionierung. Besonders der Gesang stellt für mich arge Gewöhnungsschwierigkeiten dar und lässt mich jene Natürlichkeit und in der Musik gesuchte Wärme vermissen. Die Grenzen zwischen Perfektionierung und Kitsch sind mitunter fließend: die Schiller- Vertonung mit weiblichem Gesang "Das Mädchen aus der Fremde" kann definitiv dem nächsten Grand Prix vorgeschlagen werden und hätte dort mit aller Wahrscheinlichkeit bessere Chancen als Corinna May. Aber ich möchte am Ende nicht alles wieder zerreißen. "Nächtliche Jünger" ist ein durchaus gelungenes Werk, mit abgerundeter und harmonischer Stimmung und muss sich nun wohl der skeptischen Kritik jener aussetzen, die an Orplid erfahrungsgemäß höchste Erwartungen stellen.

Cato Beek